GESCHICHTE UND BEDEUTUNG DES LICHTSPIELS

Schätze bergen und Filme auf die Leinwand zurückholen



Dass die 1890 von Fritz Ryff gebaute Strickwarenfabrik im Marzili fast dasselbe Geburtsjahr hat wie das Kino (1895) mag Zufall sein – eine schöne Fügung ist es jedenfalls, dass die Kinemathek Lichtspiel seit 2012 hier ihren Betrieb aufnehmen konnte. Und wie die Ryffs von ihren Reisen in die fernen Welten des Amazonas oder Afrikas Erinnerungsstücke mitbrachten, so gräbt das Lichtspiel in den Zeiten der Kino- und Filmgeschichte, bringt schwere und zierliche Filmobjekte, Werbungen und natürlich Filme wieder ans Tageslicht und auf die Leinwand.

Der Geruch nach Kakaobohnen

Zwölf Jahre lang hatte das Lichtspiel zuvor in einer ehemaligen Chocolat Tobler-Fabrik am Güterbahnhof gewirkt: Dort war die Kinemathek auf der Grundlage einer anfänglich privaten Kinomaterialsammlung aufgebaut und immer weiter ausgebaut worden. Schon an diesem Standort waren die versammelten Materialmengen beeindruckend und für viele Besucherinnen und Besucher eng mit den Räumlichkeiten verbunden. Gleichwohl, der Wegzug ins Berner Marzili-Quartier war für das Lichtspiel in erster Linie auch eine Chance. Mit einer dem Verein eigenen Sensibilität für Material- und Ortsgeschichten wurden Infrastrukturen entwickelt und ein Schaulager eingerichtet, lokale Kontakte geknüpft und gemeinsam mit weiteren Bewohnerinnen und Bewohnern des Ryff-Areals als lockerer Zusammenschluss das Berner Filmhaus gegründet. Auf 1‘000m2 wird seitdem gepflegte Sammelleidenschaft gelebt und vorgeführt. Die Besucherinnen und Besucher bewegen sich zwischen Regalen voller kinematographischer Gerätschaften, bestaunen exponierte Raritäten und verfolgen auch ein gutes Stück Arbeitsalltag in der Kinemathek.

Das Kino

Herzstück der Kinemathek ist das Kino, das in der Ryff-Fabrik im imposanten Schaulager beheimatet ist. Hier begeben sich die Gäste auch auf der Leinwand auf Entdeckungsreise – die selbstverständlich vom Rattern der Projektoren begleitet wird. Regelmässig kommt das Publikum in den Genuss von Überraschungsprogrammen aus dem eigenen Filmarchiv und von thematischen Retrospektiven mit Filmen von Verleihern, mit „Wunschfilmen“ ergänzen die Gäste das Kinoprogramm. Durch die intensive Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen und besonders auch mit anderen Kinos entstehen neue Formate, finden sich unterschiedlichste Publikumsgruppen ein und begrüsst die Kinemathek als Gastgeberin regelmässig Leute von nah und fern. Es erstaunt daher nicht, dass das Lichtspiel unterdessen weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung und Wertschätzung in Fach- und Liebhaberkreisen erfährt.

Die Kinemathek Lichtspiel ist sich auch nach dem Umzug treu geblieben. Sie ist ein Ort, wo Filme und anderes kinematographisches Material vor dem Zerfall, der Vernichtung und dem Vergessen gerettet, aufgearbeitet, fachgerecht konserviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Vieles davon geschieht vor den Augen des Publikums, in Ausstellungen, Kursen zur Kinogeschichte, im Rahmen von Vermietungen der Räumlichkeiten und diversen Vermittlungsprojekten präsentiert sich die Kinemathek zum Anschauen schön und zum Anfassen nah. Von den mittlerweile 25’000 Filmrollen, die im Archiv lagern, gelangt vieles auf die Leinwand, darunter Wochenschauen, Werbungen, Dokumentar- und Musikfilme, auch seltene Filmkopien, etliche Unikate und viele Amateurfilme sind zu sehen.

Schliesslich und nicht zuletzt haben sich mit der Verschiebung in die Ryff-Fabrik zusätzliche Perspektiven für das Lichtspiel ergeben. In diesem historischen Gebäude sind verschiedene Einzelpersonen und Kollektive eingemietet, die sich ebenfalls professionell mit Film beschäftigen: Filmvermittlung, Produktion, Reparatur und Verleih von Filmmaterial liegen auf engstem Raum beieinander. Die so geschaffenen Synergien gehen in einem eigentlichen Filmhaus auf, das eine Leuchtturm-Funktion im hiesigen Filmbetrieb übernehmen kann und will. In kreativer und unmittelbarer Nachbarschaft werden Film und Kino gemacht, weiterentwickelt und vermittelt – schweizweit einzigartig, europaweit beachtet und lokal verankert.

Weitere Informationen zum Lichtspiel finden Sie in diesem Artikel.

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